29.8.2020 – 30.8.2020, Mönchengladbach (Sparkassenpark), Düsseldorf (ISS Dome)

29.8.2020 – 30.8.2020, Mönchengladbach (Sparkassenpark), Düsseldorf (ISS Dome)

Guten Morgen, liebes Tagebuch!

Ein Konzert???? Ein Konzert!!! Echt jetzt? Wird das also ein echter Tourbericht? Oder vielmehr eine Bestandsaufnahme in einer absolut katastrophalen Zeit? Ehrlich gesagt weiss ich das selber noch nichts genau. Also warten wir gespannt ab, wie sich das hier entwickelt…

Schandmaul 29.8.2020 – 30.8.2020

 

Nun, das Jahr begann mit Sabine. Der blöden Kuh, auch Sturmtief genannt. Die vermasselte uns unser erstes Konzert in diesem denkwürdigen Jahr. Die Wacken Winternights wurden quasi vom Winde verweht. Macht ja nicht, wir haben ja einen knackvollen Festivalsommer und noch dazu eine kleine, aber feine Herbsttour mit den Kollegen von D’Artagnan. Ein ganz normales Bandjahr also. So dachten wir. Und dann kam der März. Stefan und ich waren noch mit dem Flieger in Bonn bei einem Meeting und auf allen Bildschirmen gab es nur noch ein Thema: Corona! Die Flughäfen waren leergefegt und wir wussten nicht, ob wir noch heimkommen. Ab da wurde es unangenehm. Die ersten Konzertabsagen, Verlegungen in den Herbst, Hoffen auf den Sommer. In spätestens drei Monaten haben wir das überstanden! Dachten wir Anfang April. Spätestens ab August wird schon wieder alles laufen. Dachten wir… Da finden ja auch noch ein paar schöne Festivals statt. Dachten wir… Bis irgendwann klar war: 2020 wird ein Totalausfall! Eine wirtschaftliche Vollkatastrophe. Zunächst war jeder um die Staatshilfen bemüht, bis sich auch die als tropfenförmige Farce auf dem heißen Stein entpuppten. Also schauen, wie man klarkommt. Leider kann von „Freude schöner Götterfunken“ vom Balkon geschmettert auch keiner seine Familie ernähren, also mussten wir umdenken, andere Möglichkeiten eröffnen. Wir machten neue Merchartikel, starteten eine StartNext-Kampagne, fuhren privat und als Band sämtliche Fixkosten soweit herunter wie es nur irgendwie möglich war und so versuchen wir, so lange wie möglich durchzuhalten.
Soviel kurz zur Ausgangssituation, bevor ich hier einen Roman schreibe, was durchaus möglich wäre…

Als wir schon dachten, dass dieses Jahr komplett konzertfrei über die Bühne gehen würde und einige „Konzepte“ wie Wohnzimmerstream oder Autokino weder ein adäquates Livekonzept noch wirtschaftlich in irgendeiner Form rentabel waren, kam plötzlich eine Möglichkeit um die Ecke, die Sinn machte: Ein Strandkorbkonzert! Grundidee des Konzepts: 450 Strandkörbe stehen in einem Stadion, konkret dem Sparkassenpark in Mönchengladbach. Der fasst normalerweise rund 12000 Zuschauer, hat also locker die Größe, 900 Personen Platz mit ausreichend Sicherheitsabstand zu gewährleisten. Das Konzept ist genial und inzwischen preisgekrönt! Man bucht sich zu zweit einen Strandkorb. Diese sind in verschiedene Felder – nach Inseln benannt – eingeteilt. Ein- und Auslass sind so geregelt, dass Warteschlangen vermieden werden. Es gibt also wirklich ein Konzert vor Publikum dieses Jahr. Natürlich ersetzt das finanziell einen keinen Festivalsommer, aber es ist ein Lebenszeichen für die Branche, die ansonsten gerade sang- und klanglos begraben wird.

Wir treffen uns also tatsächlich zu einer Probe für ein Konzert! Und stellen eine tolle Setliste auf die Beine. Sogar mit einem brandneuen Song! Der Titel sagt schon einiges über die aktuelle Situation: Luft und Liebe…

Alles läuft rund und wir laden am nächsten Tag unser Equipment in den LKW, dann machen wir uns mit eben diesem und der Deutschen Bahn auf die Reise. Nach und nach trudeln wir in Mönchengladbach ein. Die Reisegruppe Lindner/Muggenthaler-Schmack/Duckstein hat unterwegs Verluste zu beklagen, als Thomas beim Rauchen in Frankfurt der Zug vor der Nase wegfährt. Ohne Handy am Mann ist er dann froh, dass es noch Münzfernsprecher gibt… Entsprechend sind Bifi und ich als erste vor Ort und checken im Hotel ein. Um die Ecke ist ein prima Italiener, an dem nach und nach alle eintreffen, Wagenrad große Pizzen essen und dazu leckere Getränke konsumieren. Dann ist es Zeit fürs Kopfkissen.

Der nächste Morgen beginnt mit einem unterirdisch schlechten Hotelfrühstück, dann sammelt Videomatze Bifi und mich am Hotel ein und es geht in den Sparkassenpark. Der Anblick von einer 7 Meter (!!!) hohen Bühne und den aufgebauten Strandkörben löst ein Wechselbad der Gefühle aus. Zum einen ist es wunderschön, endlich wieder zu spielen, zum anderen ist es unglaublich traurig zu sehen, wie ein ganzer Berufsstand vor dem Aus steht. Und das werden einzelne Konzepte dieser Art nicht rausreißen. Das müsste in großem Stil staatlich gefördert werden. Aktuell kocht jede Statt ihr eigenes Süppchen und wirtschaftlich sinnvolle Konzepte sind kaum möglich. Rühmliche Ausnahme ist dieses hier!

Es ist eine Riesenfreude, unsere Crew zu sehen und dem Aufbau und dem regen Treiben, den Line- und Mikrofontests beizuwohnen. Ungewohnte, lange nicht erlebte und schmerzlich vermisste Routine.

Der Soundcheck ist ein weiteres Puzzlestück, dass das Konzertbild zusammensetzt und es ist ungewohnt mal wieder mit In Ear zu spielen. Dann gibt es Abendessen und langsam aber sicher ist auch schon Einlass. Wir haben noch eine Stunde bis zum ersten Konzert 2020 vor echtem Publikum!

Wir machen unseren Händekreis und dann geht es auch schon los! Auf dem Weg zur Bühne bekommen wir noch den Sold Out Award verliehen, den hier jeder Künstler erhält, der die Veranstaltung ausverkauft. Wir haben das geschafft und spielen deshalb auch noch eine Zusatzshow am 24.9. Gleicher Ort, gleiches Glück.

Das Intro wird gestartet und dann gibt es kein Halten mehr: ein echtes Konzert! Leider ist der Abstand zum Publikum doch sehr groß und als es dunkel wird, kann man es nur noch erahnen. Daher hier eine Bitte für die Zusatzshow: Nehmt Lichter mit! Illuminiert eure Strandkörbe! Dann sehen wir euch und es wird noch mehr Freude bereiten, für euch zu spielen! Danke!

Wie schon erwähnt gibt es heute eine brandneue Nummer: Von Luft und Liebe (lebt das Bardenherz allein)… Im Vorfeld hatten wir schon Liedblätter in den den Strandkörben verteilt, die jetzt gezockt werden und beim Mitsingen helfen. Wir spielen uns 2 Stunden den Coronafrust von den Seelen und ziehen uns erschöpft, aber glücklich in die Katakomben zurück. Weiterer Publikumskontakt geht in diesen Zeiten leider nicht.
Die Crew baut zügig ab, dann fahren wir ins Hotel zurück, wo es noch ein Feierabendbier im Freien gibt, bevor mich mein Bett ruft!

Der Tag beginnt wieder mit unterirdischem Hotelfrühstück, dann geht es einen Steinwurf über die Strasse. Hier ist der ISS Dome. Wir haben uns nämlich gedacht, wenn wir schon mal angereist und eingespielt sind, dann nehmen wir doch noch ein Konzert für euch auf! Das gibt’s dann irgendwann irgendwie auf digitalem Weg zu sehen und wir haben – soviel sei schon verraten – 3 (!!!) brandneue Nummern für euch gespielt. Ist das was?
Jedenfalls ist es schon wieder der totale Wahnsinn in einer Halle dieser Größe (Kapazität bei Konzerten: 12000!) vor leeren Rängen für ein paar Kameras zu spielen. Wir haben dabei aber euch in euren Wohnzimmern vor Augen und hoffen, euch eine kleine Freude zu bereiten und ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.

Die Aufzeichnung samt Soundcheck zieht sich über den ganzen Nachmittag und Abendessen gibt es heute NACH getaner Arbeit. Auch mal was Neues.

Wir sitzen noch auf ein, zwei Absacker beisammen, dann löst sich die Gruppe nach und nach auf. Ein Teil fährt bereits nach Hause, ein Teil geht nochmal ins Hotel. Darunter ich. Das unterirdische Frühstück am nächsten Morgen lasse ich mir doch nicht entgehen!

In diesem Sinne: bleibt gesund!

Hipp Höpp

DUCKY