27.10.2017, Saarbrücken, Garage

27.10.2017, Saarbrücken, Garage

 Guten Morgen, liebes Tagebuch!

Es ist soweit: DIE Tour steht an. Was für ein Jahr liegt hinter uns… Die eigentliche Tour zum neuen Album letztes Jahr musste wegen Krankheit abgebrochen und verschoben worden. Eine CD-Veröffentlichung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Schlimmer kann es kaum kommen, dachten wir. Dann starb im Dezember auch noch unser langjähriger Freund und Weggefährte Andreas, der nicht nur menschlich eine riesen Lücke hinterlässt, auch fachlich fehlt er uns enorm. Zudem nahm er alle Internetzugänge und Passwörter mit ins Grab. Die Auswirkungen merken wir zum Teil immer noch. Auch Annas Entscheidung, die Band zu verlassen und neue Wege zu gehen, fiel in diese Zeit.
Für uns verbleibende 5 hieß es: Ärmel hochkrempeln und kämpfen! Aufgeben war keine Option!
Wir nutzten die Zeit, die durch die ausgefallen Konzerte entstand, und stellten uns neu auf. In alle Ecken wurde geleuchtet, vieles hinterfragt, manch faule Stelle herausgenommen. Heute wissen wir, dass es genau so kommen musste, um wieder für euch und uns am Start zu sein. Jetzt fühlt sich alles wieder gut und gesund an.

Schandmaul_Saarbruecken_2017-10

Und darum ist die anstehende Tour für uns auch etwas ganz Besonderes. Darum steht sie nicht mehr nur unter dem Titel „Leuchtfeuer“. Sie heißt „von Leuchtfeuern und anderen Halunken“ und wir wollen mit euch unsere Rückkehr mit einem Querschnitt aus fast 20 Jahren Schandmaul feiern. Im Sommer durften wir schon auf ein paar Festivals wieder ins Livegeschäft hinein schnuppern. Es hat uns wieder viel Freude bereitet.
Zeitgleich arbeiten wir fleißig an neuen Songs, denn auch ein neues Album soll die neue Ära gebührend einläuten. Lasst euch überraschen!

So treffen wir uns also wie immer am Vortag des ersten Konzerts am Proberaum. Passend dazu strahlt die Somme vom Himmel. Ich hole Tobi und Saskia vom Bahnhof ab, die beiden werden auf der anstehenden Tournee die Position an der Geige übernehmen und heute proben wir noch einmal. Es läuft wie erwartet super und so warten wir auf den Nightliner.

Ein wenig ehrfürchtig besteigen wir den Bus und starten zum ersten Konzert in Saarbrücken. Endlich geht es los!
Mich ruft recht bald die Koje und ich wache wie so oft viel zu früh auf. Es ist 6 Uhr morgens und meine innere Uhr ist noch im Kind-muss-in-die Schule-Modus. Freundlicherweise darf ich in einem Hotel um die Ecke auf die Toilette, sodass ich mich anschließend noch einmal langlegen kann.
Irgendwann hält mich nichts mehr im Bus, der inzwischen einer Sauna gleichkommt. Die Deckenlüftung ist auf volle Heizleistung gedreht. Das stelle ich noch eben ab, dann geht’s in die Garage. Backstage beziehen, frühstücken und ran an den täglichen Bürowahnsinn. Der wird auf Tournee nicht weniger, im Gegenteil.

Die Crew lädt den Truck aus und beginnt mit dem Aufbau. Heute ist alles ein wenig improvisiert, die Bühne ist relativ klein und es passt gar nicht die ganze Produktion auf die Bretter. Also gibt es eine abgespeckte Version, nicht zuletzt, dass unser Support „Krayenzeit“ auch noch Platz findet. Die haben heute auch einen aufregenden Tag und bringen ihr neues Album heraus. Das ist für den Musiker an sich immer ein ganz besonderer Moment: Wie kommt es an, was man sich in monatelanger Arbeit erdacht und mit ganz viel Herzblut für die Ewigkeit festgehalten hat? Das weiß man vorher nie und es ist ein Zustand der Spannung, Hoffnung, Erwartung und Euphorie. Aber man ist als Musiker auch nie verletzlicher als in Zeiten der Albumveröffentlichung. Ein Kind wird geboren auf das man unheimlich stolz ist. Man kehrt sein Innerstes nach außen. Dummerweise ist der Musiker an sich aber oft auch ein sensibles Wesen… Wir wünschen Krayenzeit, dass ganz vielen ihr neues Werk gefällt und das auch zu verstehen geben. Und nicht nur die ewig nörgelnden Meckerköpfe in der Anonymität des Netzes ihre Stimmen erheben.

Aber ich schweife ab…
Die Caterer bereiten oben wunderbare Gaumenfreuden und es geht langsam aber sicher auf den Soundcheck zu. Wir spielen ein paar Knacker mit Tobi und Jessy. Letztere spielt die Leier bei Krayenzeit und ist so nett, diesen Part auf der Tour auch bei uns zu übernehmen. Der Sound auf den Ohren stimmt sofort. Also können wir entspannt mit den Leihmusikern üben, um dann der Vorband die Bühne zu überlassen. Für uns heißt es derweil: Abendessen! Sehr lecker!
Jetzt geht jeder langsam in den Vorbereitungsmodus über. Um 20.15 Uhr geht es bereits los und wir müssen pünktlich fertig werden, denn ab 22.15 Uhr hat Ruhe zu herrschen. Weil dann um 23 Uhr noch die Disko startet.

Schließlich ist es soweit: Die Show geht los! Ich habe das Gefühl, Band und Publikum bilden eine Symbiose. Erst beschnuppert man sich gegenseitig, sondiert die Lage, fühlt sich wohl und gibt dann gemeinsam alles. Es mach Spaß, wieder auf der Bühne zu stehen! Das Rad läuft unaufhaltsam und ich genieße diesen ganz besonderen Moment, der dich als Musiker mit Energie überflutet, die du vom Publikum bekommst und in einem ewigen Kreislauf zurückgibst und wieder nimmst. DAS ist wohl der Grund, warum wir diesen Job so lieben. Zudem fällt mir gerade eine große Last von den Schultern. Es läuft! Und das auch noch richtig gut!

Nach der Show ziehen wir uns um, gehen kurz duschen und kommen wieder raus zu den Fans. Nur Thomas bleibt backstage. Das wird jetzt auch bei den meisten Konzerten so bleiben. Die Gefahr, sich irgendwo einen Schnupfen oder Übleres einzufangen ist mit steigender Menschenzahl eben auch um ein Vielfaches höher. Daher hat ER, der Sänger, nach der Show seinen verdienten Feierabend. Der Gitarrist kann auch mit Schnupfen spielen, beim Sänger gestaltet sich das schon schwieriger.

Ein gelungener Abend neigt sich dem Ende entgegen und nach und nach verabschieden wir uns in den Nightliner. Koje, Kopf auf Kissen, Decke drüber, Licht aus!

Bis morgen in Bielefeld!
Gute Nacht!

Hipp Höpp

Ducky