26.8. – 31.8. Jubiläumswoche 15 Jahre Schandmaul in Köln

26.8. – 31.8. Jubiläumswoche 15 Jahre Schandmaul in Köln

Guten Morgen, liebes Tagebuch!

Normalerweise ist es bei mir beim Tourbericht schreiben ähnlich wie bei einem Wasserhahn, den man aufdreht. Der Tag fließt an mir vorbei und ich sehe alles noch einmal vor mir, picke mir die wichtigsten Dinge heraus. Fertig. Heute sieht das ganz anders aus. Ich komme mir vor wie unter einem Wasserfall. So viele Erlebnisse und Emotionen fließen da an mir vorbei, dass ich kaum eins festhalten, geschweige denn in Worte fassen kann. Ich versuche es trotzdem:

img_7579

Es ist Montag, der 26.8.2013. Punkt 13.16 Uhr geht mein Zug von Passau nach München, wo ich mit den anderen Jungs in den ICE nach Köln steige. Die Mädels reisen einen Tag später an. Wir klären schon mal die Hotelsituation und das Bier in diesen komischen Reagenzgläsern. Die Zugfahrt verläuft stressfrei und ein Taxi bringt uns zum Hotel, das uns jetzt eine Woche beherbergen wird. Andi und Kirsten, unser inzwischen liebgewonnenes Filmteam, ist auch schon vor Ort und gemeinsam verbringen wir den ersten Abend in einem netten Mexikaner.

Der Dienstag ist dann der erste Arbeitstag: Wir proben das Akustikset mit einem Streichquartett in der Live Music Hall. Allein zu dieser Halle könnte ich einen Roman schreiben. Hier war unser erstes Köln-Konzert. Damals vor 128 (!!!) Zuschauern. Beim zweiten Mal waren es über 500, beim dritten Mal war es ausverkauft. Die letzte Kölnshow fand dann im ausverkauften Palladium vor 4000 Menschen statt und dieses Wochenende erwarten wir 12000 am Tanzbrunnen. Halleluja. Aufregung ist vorprogrammiert… Die Probe verläuft erschreckend schlecht und so kann der nächste Tag mit einem Benefizkonzert – ebenfalls in der Live Music Hall – nur besser werden. Und er wird es…

 

Mittwoch sind wir also mit unserer Akustikshow vor Publikum gefragt, am Tanzbrunnen trifft unterdessen die Bühne ein. Zwar gibt es dort eine fest installierte, doch diese ist für unser Vorhaben erstens zu klein und zweitens von nur rund 6000 Menschen einsehbar. Also haben wir keine Kosten und Mühen gescheut und eine Bühne eigens für unser Festival geordert. 2 Tage und eine Nacht wird durchgearbeitet, bis das Monster steht. Ich schaue Mittwochvormittag kurz am Tanzbrunnen vorbei. Seit Dienstag haben wir einen persönlichen Shuttle. Chris „Hedwisch“, ein langjähriger Freund und Wegbegleiter tun diesen Job in einem chiquen Leih-T5. Und diesen Service nutze ich jetzt. Schwer zu erklären, was mir beim Betreten des Tanzbrunnengeländes durch den Kopf geht. Vorne die Bühnenbauarbeiten, die ersten Stände stehen auch schon und in 2 Tagen sind hier 12000 Menschen und feiern mit uns Geburtstag. 15 Jahre! Unfassbar! Lest euch einmal das Vorwort zu unserer Best Of CD „So weit – so gut“ durch. Da wird ganz gut reflektiert, was diese Zeitspanne überhaupt bedeutet. Es überlege sich jeder Leser kurz, was er in den ersten 15 Jahren seines Lebens erlebt hat… Nichts anderes ist das nämlich mit einer Band. Wir sind jetzt also postpubertär und werden langsam erwachsen. Oder so ähnlich… Doch ich verliere den Faden. Es ist immer noch Mittwochvormittag, ich beende meinen Rundgang über das Gelände und Hedwisch fährt mich zur LMH. Aus meiner geplanten Vorbereitung mit Gitarre wird allerdings nichts, denn ich darf noch 2 Interviews geben. Egal, wer übt verrät die Kollegen 😉

 

Bereits um 18 Uhr starten wir unser Benefizkonzert, damit auch Kinder das Programm sehen können. Außerdem bleibt so noch etwas mehr Zeit für das Feierabendbier. Äußerst praktisch also in jeder Hinsicht…

Viele bekannte Gesichter tummeln sich vor der Bühne und der Abend wird ein großer Spaß, den wir gemütlich erst bei den Fans, dann backstage und schließlich an der Hotelbar ausklingen lassen. In dieser Nacht schlafe ich bescheiden. Wobei ich nicht behaupten will, dass die Nächte davor erholsam waren. Zuviel geht mir durch den Kopf, das mich keine Ruhe finden lässt. Trotzdem sagt die innere Uhr gegen 7, dass die Nacht vorbei ist und ich stehe auf, dusche und gehe frühstücken. Den ersten Shuttle zum Tanzbrunnen nehme ich. Ich bin heute mit einem Einzelinterview für unseren Dokumentarfilm (ihr erinnert euch an Andi und Kirsten…) als erster an der Reihe. Schön in der prallen Sonne bratend und natürlich OHNE meine gerade in letzter Zeit so geliebte Sonnenbrille. Ich blinzel mich also von einer rage zur nächsten bis ich etwas Pause habe. Die Bühne hat inzwischen ein Dach und ein Kran stellt gerade die Türme auf für die Boxensysteme und LED-Wände auf. Die Rollirampen sind aufbaubereit und unsere Trucks fahren Licht, Ton und Backline an den Ort des Geschehens. Am Nachmittag ist dann große Abnahme durch das Ordnungsamt der Stadt Köln. Ordnung muss sein… Leider missfällt den Herrschaften so mancher vorher zugesagte Punkt und so müssen die Rollfahrertribünen wieder demontiert werden. Sie würden bei einer „Entfluchtung“ des Geländes hinderlich sein. Aha. Weiß man das nicht vorher?! Leider gibt es hier keine Diskussionsspielraum und wir müssen die Pille schlucken, ebenso wie die Bändchenvergabe in den Innenraum des ersten Wellenbrechers, der ebenfalls vorgeschrieben ist. Wenn ich persönlich diese Pillen nehme und in eine Waagschale lege, auf die andere Seite das ganze Ambiente hier und die Stimmung der Menschen untereinander, dann überwiegt für mich ganz klar das Positive.

 

Am frühen Abend steht für uns ein Soundcheck mit Orchester an, den wir auch noch ein wenig zum Proben nutzen. Denn das Konzert gestern fand ja nur mit einem Quartett statt. Jetzt sind alle 12 Streicher am Start und die wollen sich untereinander hören und natürlich auch den Rest. Und ein paar Knacker anspielen. Nach einer guten Stunde ist es gelaufen und wir erfreuen uns an feinem kalten Budweiser, bis Hedwisch uns der Reihe nach ins Hotel fährt. Eine weitere schlaflose Nacht hält mich morgens nicht lange im Bett und sobald es geht, düse ich zum Tanzbrunnen. Zur Orientierung: Es ist Freitagmorgen, der erste Festivaltag! Ich drücke mich sonnenbrillengetarnt am Einlass zum Campingplatz herum, der mit über 1000 vergebenen Plätzen bumsballervoll ist und um 10 Uhr morgens geöffnet hat. Um diese Zeit haben wir gerade noch einen kurzen Soundcheck.

Die Nervosität der letzten Tage weicht langsam einer freudigen Anspannung, die mich meine völlige Übernächtigung vergessen macht. Die Kollegen von Omnia und Saltatio reisen an und bauen ihr Equipment auf. Ich begebe mich mit Thomas in den Recording Bus, den wir eingeflogen haben, damit möglichst viele Menschen hier unser Abschlusslied „auf euch“ als Riesenchor einsingen. Wir spielen noch die Infospuren ein, damit jeder, der mitmachen möchte, weiß, was er singen soll. Um es schon einmal vorweg zu nehmen: Über 600 Menschen machen mit und es ist ein beeindruckender Chor geworden….

 

Schließlich ist es 14 Uhr und die Tore werden geöffnet. Der Platz füllt sich rasant und Omnia starten pünktlich als erste Band unsere gar nicht so kleine Geburtstagsfeier. Ich sehe mir die Show vom eigentlichen Tanzbrunnenelement, einer kleinen Insel in einem künstlichen See aus an. Das Publikum ist in Feierlaune, das Wetter herrlich. So muss es sein! Saltatio knüpfen nahtlos an und langsam heißt es, sich für den eigenen Auftritt zu richten.

Da wir hier um 22 Uhr mit der Show durch sein müssen, beginnt unser Auftritt pünktlich um 19.20 Uhr. Tag 1 mit Show 1 im Akustikgewandt kann kommen. Fein raus geputzt in Abendgarderobe treffen wir uns hinter der Bühne, vor der bereits Geburtstagsständchen zelebriert werden und ritualisieren mit dem Orchester und dem langen Elend Heiner, der uns heute bei ein paar Nummern am Piano unterstützt.

Dann geht es los und für uns wird der erste Abend ein voller Erfolg. Leider können wir die Videowände an den Seiten nicht sehen, umso beeindruckender sind später die Bilder, die wir zu sehen bekommen…

 

Nach der Show ist feiern angesagt. Viele Bekannte sind da, man feiert backstage, auf der Aftershowparty oder einfach ganz für sich in einem Sessel und den Abend reflektierend. Tag 2 mit dem Rockset kann kommen und das bedeutet für mich: Endlich E-Gitarre…

 

Gegen 2 Uhr morgens falle ich in mein Hotelbett, um pünktlich um 7 in genau diesem wieder senkrecht zu stehen. Um 10 haben wir sowieso Soundcheck, da kann ich also schon mal aufstehen, duschen und das Hotelfrühstück versuchen, um dann doch zu beschließen, dass ich backstage am Tanzbrunnen etwas essen werde. Da schmeckt es nämlich…

Der Rock-Soundcheck geht recht flott, wir spielen noch ein paar neu oder lange nicht gespielte Nummern an und geben die Bühne für den Aufbau von Fiddler’s Green frei, die heute direkt vor uns spielen. Dazu kommen noch die Kollegen von „Die Kammer“, „Lyriel“ und „Versengold“. Ein dickes und cooles Paket heute also.

Entsprechend früher ist der Einlass und ich kaufe bevor die Tore aufgehen noch schnell ein paar coole Kindershirts a la „Dreckmagnet“ für Matilda. Dann geht es los.

Die Menschenmenge strömt herein und bald ist das Gelände geflutet. 2. Tag kann starten! Und das tut er mit Versengold, gefolgt von „Lyrie“l und der „Kammer“, bis schließlich noch die „Fiddlers“ den Auftakt zu unserem Rockset geben.

Wieder treffen wir uns – heute nicht ganz so herausgeputzt – hinter der Bühne. Zu sechst wird heute ritualisiert und geht es auch schon los. Ab der ersten Nummer ist die Stimmung super. Ein klein bisschen lauter als gestern ist es auch und die Anlage wurde auch noch einmal ein wenig „getuned“. Deswegen besteht hier trotzdem eine Dezibelbegrenzung, mit der kann man aber leben.

 

Thomas ist in Hochform, außer beim „Wandersmann“, den ich heute klar 1:150 für mich entscheide. Wie in einem Film rauschen wir durch den Abend und als nach 2,5 Stunden der letzte Akkord verklingt ist es mit einem Mal völlig surreal. 2 Jahre haben wir auf diesen Tag hingearbeitet. Geplant, verworfen, delegiert. Ich kann nicht beschreiben, was in einem abgeht, wenn man auf 12000 feiernde Fans blickt. Und mir fällt an dieser Stelle auch nur ein einziges Wort ein: DANKE!

 

Nachdem sich die Emotionen etwas gesetzt haben, begebe ich mich auf die Aftershowparty. Wo ich die nächsten 2,5 Stunden nicht vom Fleck komme, so viele Fotos werden gemacht und Autogramme gegeben.

Todmüde falle ich irgendwann um und brauche jetzt erst einmal eine Pause, um das hier alles zu verarbeiten. Noch läuft das Kopfkino in Highspeed.

 

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die dieses Festival möglich gemacht haben. Bei unserer Crew, den Örtlichen, den Securities, den Sanies, dem Management, allen, die hier gearbeitet haben, den Bands, meinen Mitmusikern und natürlich bei euch, den Fans. Es war schlichtweg überwältigend!

Jetzt freue ich mich auf die Tournee zum neuen Album „Unendlich“, das im Januar erscheinen wird. Bis dahin!

 

 

Hipp Höpp

Ducky